KING KONG contemporary art project, 2010–2011
From October 2010 to November 2011 the mobile art project KING KONG contemporary showed exhibition complexes with contemporary art at three different locations in the space of the city of Mannheim, Germany. It was organized and mainly curated by Fritz Stier, Barbara Hindahl and Andreas Wolf.
Mit King Kong, dem fiktiven Riesengorilla mit Emblemcharakter, hat sich das contemporary art project einen einprägsamen Namen gegeben.
Im ursprünglichen Konzept- und Pressetext war angekündigt worden, KING KONG sei ein „innovativer, nichtkommerzieller, mobiler“ Kunstraum, der in einem „aus Containermodulen montierten Raum […] interdisziplinäre und experimentelle Positionen zeitgenössischer Kunst“ präsentieren werde, wobei das Besondere sei, dass drei bis vier Mal im Jahr der Standort innerhalb der Stadt Mannheim gewechselt werden könne bzw. sollte.
Die Idee zum Namen KING KONG kam, so Fritz Stier, durch die Vorstellung vom Riesengorilla, der durch die Großstadt wandert, und im Falle des art projects einen Container an verschiedenen Orten hinsetzt –
das freundliche Monster, das an unerwarteten Plätzen für Kunst sorgt.
Es sollte zu denken geben, dass der King Kong des Films nicht dafür belohnt wird, dass er sich als undomestizierbar erweist. Es ist auch zu fragen, gegen wen sich die leise Polemik des ersten Konzepttextes richtet, wie etwa im Schlusssatz, in dem von einer „Suchbewegung an die Grenzen des ‚etablierten‘ Kunstbegriffes“ die Rede ist und von der Absicht, „auf diese Weise gesellschaftlich verbindliche Erwartungen zu unterlaufen“. Mutmaßlich richtet sich die Polemik gegen das Banausentum, gegen die etablierte Kunst oder gegen die Etablierung von Kunst. Die Polemik dient als Abgrenzung von der Kunstspektakelmaschinerie, die Völkerscharen von betuchtem Publikum aus der ganzen Republik oder gar der ganzen (sogenannten westlichen) Welt lange Reisen zurücklegen lässt, dorthin, wo das zu sehen ist, „was man unbedingt gesehen haben muss“.
Je größer das Publikum einer Ausstellung, je populärer ein Künstler oder eine Künstlerin, je umfangreicher die Werbemaßnahmen, desto verdächtiger.
Was dem Geschmack „der Masse“ entspricht, kann nicht Avantgarde sein. Die Qualität der Avantgarde ist freilich nie eine absolute, sondern muss stets temporäre sein; das Neue kommt, wird als herausragend erkannt (oder gar nicht wahrgenommen), etabliert sich und ist nicht mehr das Neue, fordert daher anderes Neues heraus.
Was allgemein anerkannt ist, kann nicht mehr gleichzeitig innovativ sein. Argwohn kommt hier auf, dass dieses Prinzip der Forderung nach Innovation, nach Originalität, dem kapitalistischen Prinzip der steten Profitmaximierung, des Immer-Mehr, mindestens ähnlich ist.
In der Moderne hat Kunst ununterbrochen um ihre Freiheit zu kämpfen, je etablierter, also: je bekannter und beliebter sie ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Vereinnahmung durch die Warenwelt. Die Gefahr, mit der sich eine Avantgarde heute konfrontiert sieht, ist nicht so sehr Kandinskys schwarze todbringende Hand, also der Widerstand des Establishments, sondern entweder die Vereinnahmung als Massenspektakel oder das Versinken in der Bedeutungslosigkeit.
Ein wirkliches Gegenteil der etablierten Kunst jedoch kann es gar nicht geben: Kunst ist nur dann Kunst, wenn sie von wenigstens ein paar Menschen als solche eingeordnet wird, sie braucht immer ein Publikum, muss also bei irgendjemandem bekannt sein.
Hinter dieser Argumentation steht ebenso die Annahme, dass jeweils irgendetwas an einem Kunstwerk verstehbar und zugänglich sein muss, sonst tangiert Kunst nicht einmal peripher, sondern gar nicht. „Innovativ“ kann also nicht bedeuten: So enigmatisch, dass überhaupt kein Muster mehr erkennbar wäre und kein Zugang möglich.
King Kong ist als Gorilla ein Menschenaffe, hat also ähnliche Gestalt und ähnliche Bewegungen wie Menschen, ist oder scheint folglich in Gefühlen und Handlungsmotivationen intelligibel. Als monsterhaftem Wesen der Wildnis muss ihm aber intrinsisch die Assimilation ans Großstadtleben verwehrt bleiben, sonst verliert er seine Identität und ist kein Wesen der Wildnis mehr. Wenn jemand sich programmatisch die Verweigerung der Etablierung auf die Fahnen schreibt, folgt das Scheitern aus Gründen der Logik: Denn nicht nur das Versinken in Nichtbeachtung, sondern auch Anerkennung und Popularität wären als Scheitern zu werten. Der Titelheld des ersten King-Kong-Films ist eine tragische Gestalt.
De facto sind die Verhältnisse um das KING KONG contemporary art project nicht ganz so einfach und eindeutig, wie obige Ausführungen zu implizieren scheinen: Selbstverständlich ist es möglich, innovative Kunst auch einem regelmäßigen Publikum zu zeigen unter einem
regional und überregional bekannten Namen.
Die Idee mit dem mobilen Kunstraum ist gewiss nicht gänzlich neu, aber auch nicht völlig etabliert; und an den Stellen, an denen die Kunstcontainer von KING KONG in Mannheim tatsächlich gestanden haben, waren sie auf jeden Fall neu.
Etabliert waren in gewissem Maße jedenfalls die drei InitiatorInnen von KING KONG, sowohl innerhalb der Freien Kunstszene Mannheims und der Metropolregion Rhein-Neckar wie auch als Akteure derselben bei Institutionen der Stadt (namentlich das Kulturamt). Nach jahrelanger Bekanntschaft waren Barbara Hindahl und Andreas Wolf beide, zusammen mit zehn anderen Künstlerinnen und Künstlern, Gründungsmitglieder von Peng! Raum für Kunst Mannheim (2006–2009), in dem unter vielen anderen auch Fritz Stier ausgestellt wurde, beiden wiederum seit Jahren bekannt als 1. Vorsitzender des Kunstvereins Viernheims seit dessen Gründung im Jahr 1999 sowie Kurator der meisten Ausstellungen im Kunstverein und im Kunsthaus Viernheim. Hier hatte Barbara Hindahl eine Ausstellung und Wolf war einer der Künstler einer Gruppenausstellung. Im Jahr 2008 wurden Werke von Hindahl und Stier in einer von Andreas Wolf kuratierten und organisierten Ausstellung gezeigt.
2009 taten die drei sich zusammen, um das Aktionsbündnis Freie Szene Bildender Kunst Mannheim ins Leben zu rufen. Sie verfassten und verbreiteten gemeinsam eine Petition zur Verbesserung der Situation der Bildenden Künstlerinnen und Künstler in Mannheim, die auf große Resonanz in der regionalen und überregionalen Kunstszene stieß. Nach verschiedenen weiteren Aktionen, einer Demonstration, einer Podiumsdiskussion im Nationaltheater, Treffen der Freien Szene, konnte in 2010 tatsächlich der Erfolg einer maßgeblichen Aufstockung des städtischen Etats für die Freie Szene verbucht werden.
Im Anschluss an diese diversen Erfahrungen gemeinsamer Arbeit in Sachen Kunst beschlossen die drei im Frühjahr 2010, zusammen einen Kunstraum zu konzipieren und zu eröffnen. Mit relativ kurzer Vorlaufzeit konnte die erste Ausstellung bereits im Oktober 2010 starten.
Mit herkulischer (riesengorillahafter) Anstrengung haben Fritz Stier, Barbara Hindahl und Andreas Wolf fünf großartige Ausstellungen an drei Containerstandorten auf die Beine gestellt.
Eine „Randerscheinung“ von mobilen Kunsträumen ist unmittelbar einleuchtend, nämlich dass an jedem neuen Standort eine komplett neue Infrastruktur erst geschaffen werden muss. Ein gewaltiger organisatorischer Aufwand ist hier nötig; Genehmigungen für das Stellen der Container müssen eingeholt, Stromanschlüsse installiert, ein rudimentäres Mobiliar herangeschafft werden etc. Dabei ist es als nicht Ausnahmefall, sondern zum Organisationsprozess bei mobilen Kunsträumen zugehörig anzusehen (und übrigens auch bei solchen mit festem Standort, nur hat man hier diesen Aufwand und begleitende Probleme nur einmal zu bewältigen, nicht immer wieder), dass – wie in einem Fall bei KING KONG – die zuständige Person den Standort im Bezug zum vorhandenen Stromanschluss fehlerhaft angab, sodass der Container genau auf dem Stromanschluss stand, der also nicht mehr zugänglich war, oder dass der großzügig zur Verfügung gestellte Abstellraum am Wochenende mit dem überlassenen Schlüssel nicht zu öffnen war, weil die Schließanlage eine Öffnung am Wochenende nicht vorsah, oder dass in der Fußgängerzone eine Ladeninhaber unglücklich war, weil der Container vor seinem Laden stand und er Kundenverlust befürchtete. Zuverlässige Helferinnen und Helfer müssen gewonnen werden – von der Auswahl der zu zeigenden Kunst, deren Transport, der Unterbringung der Künstlerinnen und Künstler ganz zu schweigen.
Alle drei Ausstellungskomplexe haben nicht ganz oder bei Weitem nicht die Anerkennung erfahren, die die gezeigte Kunst verdient hätte. Das ist mindestens zu einem Teil – besonders beim ersten Standort auf dem Ehrenhof des Schlosses – der Tatsache geschuldet, dass ein potenzielles Publikum zunächst mal wissen muss, dass der Kunstraum existiert – um so auf den Gedanken der Etablierung zurückzukommen. Wenn etwas nicht etabliert ist, braucht es ungleich viel mehr hinweisende Maßnahmen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Das ist meist gleichbedeutend mit einem nennenswerten Werbebudget – das KING KONG als nicht-institutionalisierter Kunstraum freilich nicht hatte.
Hier zeigt sich außerdem ein weiterer Aspekt eines mobilen Kunstraums, der als Problem oder als Chance angesehen werden kann: Wenn ein Kunstraum in mobiler Containerform an eine Stelle gesetzt wird, an der vorher keiner war, ist schlicht ungewiss, wie die Umgebung reagieren wird. Der mobile Kunstraum ist stets Experiment, weil er nur auf ganz allgemeine und nicht auf spezifische Erfahrungswerte zurückgreifen kann.
Der erste Containerstandort war auf dem Ehrenhof des Mannheimer Schlosses situiert, das heißt konkret: mitten auf dem Campus der Universität, und der Zeitraum lag innerhalb der Semesterzeiten. Wirklich überraschend kamen überhaupt keine Studierenden. Organisatorische Korrektur für zukünftige ähnliche Ausstellungen, sofern man erfolgreich sein will im Sinne von: hohe Besucherzahlen: a) ein Containermodul mit Schaufensterscheibe wählen statt weitgehend geschlossener Module mit Türen und kleinen Fenstern, um Passantinnen und Passanten die Hürde des Betretens zu senken – im dritten Ausstellungskomplex in der Fußgängerzone wurde dies umgesetzt; b) auf Universitätsgeländen Ausstellungen nur mit langer Vorlaufzeit, um Kooperationen mit dem Lehrbetrieb zu ermöglichen.
Es offenbart sich dabei auch ein weiteres Moment, das als ein außerordentlich wichtiges oder sogar das wichtigste im Zusammenhang mit dem mobilen Kunstraum angesehen werden kann: der Kunstraum als künstlerisches Experiment ist selbst das Kunstwerk, und als ein Experiment im besten Sinne ist ihm ein Scheitern dann doch unmöglich: Ein Experiment hat einen offenen Ausgang, das was passiert, ist das Ergebnis des Experiments.